Das Dokumentartheater ist eine Sonderform des politischen Theaters der 1960er Jahre. Es steht in der Tradition Brechts und seines 'epischen Theaters', das mittels der Bühnenpräsentation dramatischer Werke das Publikum zu politischen Handlungen motivieren wollte. Die Vertreter des Dokumentartheaters sind enttäuscht von der Wirkungslosigkeit der Brechtschen Parabel und sie setzen auf eine neue Form der Dramatik, indem sie mehr oder weniger unverändert historisch-authentische Szenen oder Quellen auf die Bühne bringen. Das bekannteste Beispiel eines dokumentarischen Theaterstücks ist Die Ermittlung. Oratorium in 11 Gesängen (1965) von Peter Weiss, das den Versuch einer Darstellung des Auschwitz-Prozesses (1963-65) unternimmt. Weiss präsentiert den Prozeß nicht in seiner Gänze, sondern wählt aus den Aussagen der 18 Angeklagten, die Angehörige des Aufsichts-, Sanitäts- und Wachpersonals von Auschwitz waren, und der 300 Zeugen ein Konzentrat aus. Das Dokumentartheater ist immer wieder kritisiert worden, es sei nicht künstlerisch, es wähle die Dokumente subjektiv aus und verfälsche damit die Wirklichkeit, es überschätze die Wirkungsmächtigkeit der Realität und verfehle damit die intendierte Wirkungsabsicht, usw. Gegen diese kritischen Argumente kann man nicht nur die große öffentliche Resonanz des Dokumentartheaters ins Feld führen, sondern auch die Bedeutung einer Thematisierung verschwiegener bzw. verdrängter historischer Problemkomplexe.
©rein
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