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Friedrich Heinrich von der Hagen

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* 19. 02. 1780, Schmiedeberg/Uckermark
† 11. 06. 1856, Berlin

Professor für deutsche Sprache und Literatur

Von der Hagen studierte 1797/1800 in Halle Jura, hörte aber auch Vorlesungen über klassische Philologie, unter anderem bei Friedrich August Wolf. Nach dem Ersten Staatsexamen besuchte er 1803/1804 in Berlin Vorlesungen bei August Wilhelm Schlegel und begann sich im Anschluss an Wolfs Forschungen zu Homers Ilias und Odyssee für das Nibelungenlied zu interessieren. Seine Versuche, dieses Heldenepos zu übersetzen und zu 'aktualisieren', stießen bei Goethe auf Resonanz und beeinflussten dessen Beschäftigung mit 'altdeutscher' Dichtung und Kunst. Seit 1807 war von der Hagen als Privatgelehrter tätig; sein Forschungsinteresse richtete sich nun ganz auf die mittelalterliche deutsche Literatur. 1808 promovierte er zum Dr. phil.

Bis 1810 edierte er u.a. eine Sammlung deutscher Volkslieder, die Epen Herzog Ernst, König Rother, Salman und Morolf, Wigamur, die höfische Legende Der heilige Georg, Volksbücher des 16. Jahrhunderts und das Nibelungenlied nach der Fassung der St. Gallener Handschrift. Auf eigenen Antrag wurde er 1810 zum außerordentlichen Professor (also mit minimalem Gehalt!) für deutsche Sprache und Literatur an der in diesem Jahr eröffneten Universität Berlin ernannt – es handelte sich nach der Göttinger Professur Georg Friedrich Beneckes um die erste für dieses Fach, das damit nun fest im Wissenschaftssystem verankert war. Seine Vorlesungen galten der historischen Grammatik, der Literaturgeschichte, Handschriftenkunde und den 'deutsche Altertümern' (also historische Realienkunde, Rechtsgeschichte, Mythologie u.ä.). Zusammen mit Johann Gustav Büsching ging er ein Jahr später an die Universität Breslau, wo er als wissenschaftlicher Bibliothekar arbeitete und daneben die Stellung eines a.o. Professors bekleidete. Auf einer Reise durch Süddeutschland, Italien und die Schweiz lernte er 1816/17 viele mittelalterliche Handschriften kennen, was sich in zahlreichen weiteren Editionen niederschlug. Dabei war ihm vor allem wichtig, die betreffenden Werke (wieder) bekannt zu machen; an Problemen der Überlieferungsgeschichte und Textkritik war er weniger interessiert, weshalb es zu wissenschaftlichen, zum Teil auch persönlichen Kontroversen u.a. mit Jacob und Wilhelm Grimm und Karl Lachmann kam. In Fachkreisen litt von der Hagen unter einer zunehmenden Professionalisierung der Germanistik, die er nicht mitmachen wollte: Für ihn waren die altdeutschen Texte Literatur, die er wieder 'zum Leben erwecken' wollte, während sie für die Grimms, Lachmann oder Benecke 'Sprachdenkmäler' darstellten, Sezierobjekte einer Wissenschaft, deren Aufgabe es war, aus den fehlerhaften Abschriften mit speziellen Methoden wieder das 'Original' zu rekonstruieren. In den Fachzeitschriften charakterisierte man sich gegenseitig als "hochfahrend", "voreilig", "einseitig", "dumm" oder "faul".

1818 wurde von der Hagen ordentlicher Professor in Breslau, 1824 berief man ihn nach Berlin. Bis zu seinem Tod war er ein fleißiger Herausgeber von Einzeltexten und Textsammlungen; einige seiner Editionen wie die der mittelalterlichen Lied- und Sangspruchdichtung (Minnesinger. 1838; Nachdruck 1962) und der deutschen Märendichtung (Gesammtabenteuer. 1850; Nachdruck 1961) waren mangels besserer bis in unsere Zeit in Gebrauch. Mit einer Reihe von Zeitgenossen hat er regen Briefwechsel betrieben, u.a. mit Karl Wilhelm Ferdinand Solger über den 'Urmythos' - der von der Hagen in Hinblick auf das Nibelungenlied besonders interessierte, in dem er germanische Mythen gespiegelt sah. Im gleichen Kontext sind seine Ausgabe und Übersetzung der altnordischen Edda zu sehen (1812, 1814); die Brüder Grimm hatten Gleiches geplant - aber er war schneller.

Von der Hagens wissenschaftliche und öffentliche Anerkennung dokumentiert sich in seiner Aufnahme in die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1841); auch als Herausgeber der zwei Zeitschriften Museum für altdeutsche Literatur (später fortgesetzt als Sammlung für altdeutsche Literatur und Kunst) und Germania verstand er sich Gehör zu verschaffen.

©RB

Sekundärliteratur

  • E. Grunewald: Friedrich Heinrich von der Hagen 1780-1856. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Germanistik, Berlin u.a. 1988.
  • K. Weimar: Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, München 1989.