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Die Sage ist eine zunächst mündlich wiedergegebene volkstümliche Erzählung, die in allen Kulturen anzutreffen ist. Anders als dem Märchen liegt ihr eine wirkliche Begebenheit an einem realen Ort zugrunde. Trotz aller Phantastik, die ihr eigen ist, wird sie deshalb - wiederum im Unterschied zum Märchen - für 'wahr' gehalten. Obwohl es meist einen persönlichen, wenn auch anonymen Verfasser gibt, kann der Erzähler der Sage als die Stimme eines bestimmten Kollektivs verstanden werden. Von dessen Wirklichkeit erzählt er nicht zuletzt, um zuweilen recht wunderbare Lösungen für reale Probleme der Gemeinschaft zu finden.

Als Erzählung unwirklicher Ereignisse steht die Sage natürlich in enger Beziehung zum Märchen, in der kollektiven Rezeption und der Einlassung mythischer Elemente (wie Wassergeister, Hexen und Götter) ist sie dem Epos verwandt. Beide Formen können sich beispielsweise in Gestalt der mittelalterlichen Heldensagen vermischen. Allerdings sind Sagen meist kürzere Erzählungen; vor allem sind sie eng an ihre Entstehungsregion gebunden (im deutschen Sprachraum etwa thüringische, erzgebirgische, nordfriesische Sagen). Durch die ursprünglich mündliche Weitergabe entstanden viele verschiedene Variationen des selben Stoffes.

Da die Sage nicht nur der volkstümlichen Unterhaltung dient, sondern auch historisches Wissen übermittelt, wird sie wichtig für die Bildung regionaler und nationaler Identitäten. Erst unter dem Einfluß der nationalen Strömungen begann man in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der gezielten Sammlung und Herausgabe von Sagen. Ähnlich wie bei den Märchen haben sich hier die Brüder Grimm mit ihren Deutschen Sagen von 1816/18 oder auch Ludwig Bechstein mit seinen eigenständigen Bearbeitungen von Sagenstoffen verdient gemacht. Sagenhafte Elemente sind seitdem in andere Erzählformen eingegangen, wie zum Beispiel in Theodor Storms Schimmelreiter von 1888 oder Gerhart Hauptmanns Der arme Heinrich von 1902. Wie auch Märchen und Mythen werden die Sagen in der Gegenwart von verschiedenen Schriftstellern teils für Kinder, teils für Erwachsene nacherzählt. Auch spielen Neueditionen von Sagen im Zuge der Entwicklung eines Regionalbewußtsein heute wieder eine größere Rolle.

© JV und SR

Sekundärliteratur

  • L. Petzoldt: Märchen, Mythos, Sage. Beiträge zur Literatur und Volksdichtung, Marburg 1989.
  • L. Röhrich: Sage und Märchen. Erzählforschung heute, Freiburg 1976.
  • H.G. Rötzer (Hg.): Sage, Berlin 1982.