Startseite
Achtung, öffnet in einem neuen Fenster. PDFDruckenE-Mail

Lassen sich in einem Gedicht keine metrischen Gesetzmäßigkeiten erkennen, so spricht man von freien Rhythmen. Klopstock, der die komplexen antiken Odenmaße für die deutsche Lyrik fruchtbar gemacht hat, ist auch der Urheber dieser reimlosen und unregelmäßigen Versform, die nur noch durch das Druckbild und die hohe sprachliche Verdichtung als Gedicht erkennbar ist. Das wohl früheste Beispiel für freie Rhythmen ist die erste Fassung der Hymne Die Frühlingsfeier, die den Titel Das Landleben trägt (S. 85):

Nicht in den Ozean
Der Welten alle
Will ich mich stürzen!
Nicht schweben, wo die ersten Erschaffnen,
Wo die Jubelchöre der Söhne des Lichts
Anbeten, tief anbeten,
Und in Entzückung vergehn!

Nur um den Tropfen am Eimer,
Um die Erde nur, will ich schweben,
Und anbeten!

Allein die auf den ersten Blick ins Auge springende, völlig verschiedene Länge der Verse und Strophen (daher besser Abschnitte genannt), zeigt die Freiheit der Form an. Dennoch entsteht durch Wortwiederholungen, parallele Satzkonstruktionen und kunstvoll gespannte semantische Bögen ein – "freier" – Rhythmus. Klopstocks Innovation wurde von der folgenden Dichtergeneration als Befreiungsschlag empfunden. So dichtete etwa der junge Goethe viele seiner berühmtesten Gedichte in freien Rhythmen (Ganymed, Prometheus).

©TvH

Quelle

  • Friedrich Gottlieb Klopstock: Ausgewählte Werke, Bd. I, hg. v. August Schleiden, Wiesbaden o. J.

Sekundärliteratur

  • L. L. Albertsen: Die freien Rhythmen. Rationale Bemerkungen im allgemeinen und zu Klopstock, Aarhus 1971.