* 13.1.1622, Paris
† 17.2.1673, Paris
Molière, eigentlich: Jean-Baptiste Poquelin, ist der populärste und am meisten gespielte Komödiendichter seiner Zeit, der französischen Klassik. Als Sohn eines königlichen Hoftapezierers geboren, gründete er 1643 in Paris eine Theatergruppe. Als das Projekt scheiterte, begann eine dreizehn Jahre dauernde Wanderschaft durch die französische Provinz. Während dieser Zeit sammelte er wertvolle Erfahrungen nicht nur als Autor, sondern auch als Schauspieler und Regisseur. Zurück in Paris, avancierte Molière schnell zum Liebling Ludwigs XIV., mit dem ihn wohl vor allem der Geschmack an einer ausschweifenden Lebensführung verband. Seine Truppe wurde 1665 offiziell in den Dienst des Königs gestellt und entwickelt sich zum Vorläufer der 1680 als französisches Nationaltheater gegründeten Comédie française. Molière durfte wie kaum ein anderer die Gratifikationen genießen, die der König, der sich gern als feinsinniger Kunstliebhaber gebärdete, und sein einflußreicher Finanzminister Colbert jenen Künstlern angedeihen ließ, die ihren Zielen genehm waren. Dennoch war Molière alles andere als ein affirmativer Geist, der sich den Forderungen der kulturpolitischen 'Gleichschaltung' ('mise au pas') umstandslos unterworfen hätte.
In seinen gesellschafts- und religionskritischen Charakterkomödien machte er bigottes Verhalten, geheuchelte Religiosität, Etikette und Institutionen zur Zielscheibe des Spotts. Allerdings sind es Außenseiter, Narren und Kranke, welche die sittliche und religiöse Ordnung der höfischen Gesellschaft gefährden und in den Stücken der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Meist erwartet die Übeltäter eine harte Strafe, so wie es die Staatsräson verlangt.
Die erste Phase von Molières Theaterproduktion ist von weniger bedeutsamen Farcen geprägt, aus denen Les précieuses ridicules (1659) heraussticht. Sie sollen einen breiten Publikumsgeschmack treffen - und tun das auch. In seiner zweiten Schaffensperiode, der eigentlich klassischen, entstehen die fünfaktigen Komödien, die bis heute seinen Weltruhm begründen. In Le Tartuffe (1664/69), Dom Juan (1665), Le Misanthrope (1666) oder L´avare (1668) greift er zeitgenössische Probleme auf, die nicht selten von höchster politischer Brisanz sind. Besonders in den sich über fünf Jahre hinziehenden Streitigkeiten um Tartuffe ist Molière auf die Protektion seines Königs angewiesen. In der ersten Fassung dieses Stückes wird die Heuchelei eines Geistlichen denunziert, der in seinem Wunsch nach persönlicher Bereicherung eine Familie in den Ruin treibt. Nach dem Sturmlauf der kirchlichen Würdenträger mußte Molière zwar wesentliche Veränderungen vornehmen, ging aber dennoch, gestärkt durch die Intervention Ludwigs, unbeschädigt aus der Affäre hervor.
Der König freilich unterstützte seinen Dichter eher aus politischen als aus künstlerischen Gründen. Sein Wohlwollen - und gesicherte materielle Verhältnisse - erkaufte sich Molière nicht zuletzt mit den sogenannten Ballettkomödien, die in einer dritten Werkphase entstanden. Häufig waren diese barocken Gesamtkunstwerke aus Musik, Wort und Tanz Auftragsarbeiten des Hofes, die der Dichter gemeinsam mit dem Komponisten Jean-Baptiste Lully realisierte. Dennoch entstanden in dieser Zeit bedeutende Werke wie Le bourgeois gentilhomme (1670) oder Le malade imaginaire (1673). 1672 entzog der König Molière seine Gunst und übertrug die entsprechenden Privilegien auf Lully. Ein Jahr später starb der Dichter, Regisseur und Schauspieler, unmittelbar nach der vierten Aufführung seines Eingebildeten Kranken. Jetzt rächten sich die einst in den Streitigkeiten um Tartuffe unterlegenen Widersacher, indem sie Molière ein christliches Begräbnis verweigerten.
© SR
Sekundärliteratur
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