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Neue Sachlichkeit

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(1924-1932)

Die literarische Strömung der Neuen Sachlichkeit vollzieht einen radikalen Bruch mit dem im 19. Jahrhundert vorherrschenden Bild vom Menschen als Gefühlswesen und Individuum. Die Autoren entwerfen ‚sachliche‘ Typen, die zwar Gefühle haben, aber sie kaum artikulieren dürfen. So entstehen Romane, Erzählungen, Dramen und Gedichte, in denen die Dinge, die Wirklichkeit nüchtern und objektiv dargestellt werden - sie werden nicht dadurch verfälscht, daß sie gleichsam durch das fühlende Herz eines individuellen Helden wahrgenommen werden. Der Wald wird als Wald dargestellt und nicht als Auslöser innerer Erlebnisse (z. B. Liebe oder Selbsterkenntnis).

Die Literaten fühlen sich an ihre Zeit gebunden und beschreiben sie in ihren Texten. Es geht ihnen um die Darstellung der wirtschaftlich-sozialen Realität und der Befindlichkeit einer ganzen Generation. Sie schreiben über die Nachwirkungen des Ersten Weltkrieges (Zweig, Roth), über die Industrie der Weimarer Republik (Jung, Reger), über ‚die Angestellten‘ (Kracauer, Keun, Fallada, Kästner, Fleißer) und ihre Lebensweise. Sie bejahen das mechanische Zeitalter, den technischen Fortschritt und zeigen Menschen, die mit der fortschreitenden Industrialisierung in Einklang leben – oder an ihr zerbrechen. Auf den Besetzungslisten der neusachlichen Texten stehen Ingenieure, Sekretärinnen, kaufmännische Angestellte, Arbeitslose, ‚girls‘, Filmschaupieler/innen, Boxer, Sportmädel, Rennfahrer, Kinogänger und Liebespaare.

Die Sprache der Neuen Sachlichkeit ist eine Alltagssprache, leicht verständlich und für jeden zugänglich. Es ist eine Sprache, die dem Verstehen der dargestellten (literarischen) Wirklichkeit nicht im Wege steht. Die Werke zielen auf Massenwirksamkeit und bieten den Menschen in der Weimarer Republik längst überfällige Leitbilder für ein Leben in der modernen Massen- und Mediengesellschaft.

©rein

Sekundärliteratur

  • S. Becker: Neue Sachlichkeit im Roman, in: dies./ C. Weiß (Hgg.): Neue Sachlichkeit im Roman. Neue Interpretationen zu Romanen der Weimarer Republik, Stuttgart 1995, S.7-26.
  • H. Lethen: Neue Sachlichkeit 1924-1932. Studien zur Literatur des Weißen Sozialismus, Stuttgart 1970.
  • M. Lindner: Leben in der Krise. Zeitromane der Neuen Sachlichkeit und die intellektuelle Mentalität der klassischen Moderne, Stuttgart u. a. 1994.