Blankvers

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engl. blank: rein (im Sinne von reimlos)

Der in England entstandene Blankvers ist weniger ein Lyrik- als vielmehr ein Dramenvers. Shakespeare schrieb seine Dramen vorzugsweise in Blankversen, in Deutschland entdeckten die Dramatiker des 18. Jahrhunderts im Zuge der allgemeinen Shakespeare-Euphorie diesen Vers für sich. So verfaßte Gotthold Ephraim Lessing sein Drama Nathan der Weise nicht in den durch Martin Opitz eingeführten Alexandrinern, sondern in Blankversen.

Der Blankvers ist ein jambisch fünfhebiger, reimloser Vers, der, je nachdem ob er betont (männlich) oder unbetont (weiblich) endet, aus zehn oder elf Silben besteht.

Im Gegensatz zum sechshebigen Alexandriner verfügt der Blankvers nicht über eine feste Zäsur, und wurde schon vom späten Shakespeare selbst relativ frei, mit Nähe zur Prosa, gehandhabt (Wegfallen der Eingangssenkung, Doppelsenkungen, Hebungsprall durch eine fehlende Senkung, einzelne Vier- oder Sechsheber). Die Flexibilität des Blankverses erweist sich für die dramatische Dynamik als Vorteil.

Die ersten Verse des Nathan (S. 5), gesprochen von der Christin Daja, sind zehnsilbige, betont endende Blankverse: (u = unbetonte Silbe; - = betonte Silbe)

"Er ist es! Nathan! – Gott sei ewig Dank,
Daß Ihr doch endlich einmal wiederkommt."

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Darauf antwortet Nathan (ebd.) in elfsilbigen, unbetont endenden Blankversen:

"Ja, Daja, Gott sei Dank. Doch warum endlich?
Hab‘ ich denn eher wiederkommen wollen?"

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©TvH

Quelle