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Johann Christoph Gottsched

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* 02.02.1700, Juditten / Ostpreußen
† 12.12.1766, Leipzig

Dichtungstheoretiker, Dramatiker, Übersetzer und Herausgeber

Johann Christoph Gottsched ist als Reformator des deutschen Theaters und als 'Regelpoetiker' in die Literaturgeschichte eingegangen. Das Theater, wie es sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts präsentierte, war ihm zuwider. Über die Erfahrungen seiner Theaterbesuche schreibt er: "Lauter schwülstige und mit Harlekinslustbarkeiten untermengte Haupt- und Staatsaktionen, lauter unnatürliche Romanstreiche und Liebesverwirrungen, lauter pöbelhafte Fratzen und Zoten waren dasjenige, so man daselbst zu sehen bekam." Als Aufklärer dem Vernunftprinzip und der Moral verpflichtet, sah er in diesen Verwilderungen einen negativen Einfluß auf das Publikum.

Dichtung – in seinem Sinne – müsse den Menschen erziehen und moralische Grundsätze vermitteln. Die literarische Formvorgabe für diese Aufgabe sieht Gottsched im französischen Klassizismus und der Antike. In seinem 1730 erschienen Werk Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen,"darinnen erstlich die allgemeinen Regeln der Poesie, hernach alle besonderen Gattungen der Gedichte, abgehandelt und mit Exempeln erläutert werden: Uberall aber gezeigt wird Daß das innere Wesen der Posie in einer Nachahmung der Natur bestehe. Anstatt einer Einleitung ist Horatii Dichtkunst in deutsche Verße übersetzt und mit Anmerckungen erläutert [...]" versucht Gottsched, Grundregeln für alle literarischen Gattungen zu bestimmen. Schon der Titel ist Programm: Es werden – grundsätzlich erlernbare – Regeln vorgestellt, nach denen der Dichter ein lyrisches, dramatisches oder episches Werk kunstvoll erschaffen kann. Das Wesen der Kunst, die Aufgabe des Künstlers ist Nachahmung / Mimesis von Natur. Das kennen wir von Aristoteles, auf den sich Gottsched explizit bezieht, und anstelle eines Vorwortes begegnet dem Leser eine Übersetzung von Horaz' Über die Dichtkunst; also wieder ein antiker Poetiker als Vorbild.

Aber warum wendet sich Gottsched den antiken Vorbildern zu? Die Antwort auf diese Frage erklärt den Zusatz critisch vor Dichtkunst, denn die Regeln der Alten werden nur befolgt, weil die Vernunft es gebietet; die Natur der Dinge / des Menschen ist unwandelbar, deswegen kann die Welt mit Hilfe von überzeitlichen Regeln kunstvoll ausgedrückt werden. Und die Poetiker der Antike haben die bislang besten Regeln erstellt. Gottsched begründet den Rückgriff auf die Antike also geradezu philosophisch (critisch).

In diesen Überlegungen gibt es andererseits noch kein Bewußtsein von historischen Veränderungen. Hier begegnet uns die Welt als unwandelbare Natur; es gibt keine 'neuen' Probleme, die in einer bestimmten historischen Epoche auftauchen und von der Kunst eine neue Form des Ausdrucks verlangen. Deswegen können die Regeln, die vor über zweitausend Jahren für die künstlerische Produktion geschaffen wurden, immer noch Bestand haben. Auf der gleichen Vorstellung basiert Gottscheds 1736 erschienene Ausführliche Redekunst. Auch hier bezieht er sich auf die tradierten Regeln der Rhetorik, die aus der unveränderlichen Natur des Menschen resultieren.

©rein

Wichtige Schriften

Sekundärliteratur

  • W. Bender: Johann Christoph Gottsched, in: W. Killy (Hg.): Literatur Lexikon, Bd. 4, S. 287ff.
  • K.O. Conrady: Gottsched 'Sterbender Cato', in: B. v. Wiese (Hg.): Das Deutsche Drama, Bd. 1, Düsseldorf 1958, S. 61ff.
  • W. Rieck: Johann Christoph Gottsched. Eine kritische Würdigung seines Werkes, Berlin 1972.