Mit seiner Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny entwickelt Brecht in den späten zwanziger Jahren sein Konzept des epischen Theaters. Den radikalen Bruch mit der traditionellen dramatischen Form verdeutlicht er durch die tabellarische Darstellung der Gewichtsverschiebung von der dramatischen zur epischen Form:
Dramatische Form des Theaters | Epische Form des Theaters |
Die Bühne "verkörpert" einen Vorgang | sie erzählt ihn |
verwickelt den Zuschauer in eine Aktion | macht ihn zum Betrachter, aber |
verbraucht seine Aktivität | weckt seine Aktivität |
ermöglicht ihm Gefühle | erzwingt von ihm Entscheidungen |
vermittelt ihm Erlebnisse | vermittelt ihm Kenntnisse |
der Zuschauer wird in eine Handlung hineinversetzt | er wird ihr gegenübergesetzt |
es wird mit Suggestion gearbeitet | es wird mit Argumenten gearbeitet |
die Empfindungen werden konserviert | bis zur Erkenntnis getrieben |
der Mensch wird als bekannt vorausgesetzt | der Mensch ist Gegenstand der Untersuchung |
der unveränderliche Mensch | der veränderliche und verändernde Mensch |
Spannung auf den Ausgang | Spannung auf den Gang |
eine Szene für die andere | jede Szene für sich |
die Geschehnisse verlaufen linear | in Kurven |
natura non facit saltus | facit saltus |
die Welt, wie sie ist | die Welt, wie sie wird |
was der Mensch soll | was der Mensch muß |
seine Triebe | seine Beweggründe |
das Denken bestimmt das Sein | das gesellschaftliche Sein bestimmt das Denken |
Bertolt Brecht: Anmerkungen zur Oper "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny", in: ders.: Gesammelte Werke, Bd. 17, Frankfurt/M. 1967, 1009f.
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