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Der Koran ist das Heilige Buch der muslimischen oder mohammedanischen Glaubensgemeinschaft; in ihm ist die Glaubenslehre des Islam niedergelegt. Er ist zu verstehen als das tatsächliche 'Wort Gottes' (Allahs), das dem Propheten und Religionsgründer Mohammed (ca. 570-632) während einer Zeitspanne von 23 Jahren durch den Erzengel Gabriel offenbart wurde. Der Koran in seiner Gesamtheit besteht aus 108 Abschnitten oder Suren (arab. Sura: 'die den Menschen überwältigende Erhabenheit'), die nach dem Prinzip abnehmenden Umfangs angeordnet sind, von etwa 30 Seiten (2. Sure) bis zu drei oder vier Zeilen in den letzten Suren. Die Abschnitte des Koran sind für den mündlichen Gebrauch konzipiert, die wiederholte Rezitation ist zentrales Element mohammedanischen Gottesdienstes.

Verschriftlicht und redigiert wurde der Koran erst nach Mohammeds unerwartetem Tod, vor allem durch seinen langjährigen Schreiber Said Ibn Tabit (um 650). Sprachlich handelt es sich um die stark rhetorische Neuprägung eines literarischen Arabisch auf mündlicher Grundlage (der Koran hat also für die arabische Kultur, Sprach- und Literaturgeschichte eine ähnliche Funktion wie die nationalsprachliche Bibel für viele europäische Kulturen).

Der Koran ist, ähnlich wie Tora bzw. Altes Testament, ein Mischtext, der historische Überlieferung, Sagen und Legenden, Gebete, Glaubensappelle und -ermahnungen mit rechtlichen und kultischen Vorschriften für verschiedene Lebensbereiche verbindet. Im Unterschied zu Tora und Bibel wird - wie gesagt - Mohammed aber nicht als Verfasser des Textes, sondern nur als Verkünder des Wortes Gottes verstanden. Dies spiegelt sich in dem oft wiederholten binomischen Glaubenssatz: "Allah ist ein einziger Gott, und Mohammed ist sein Prophet". In den historischen Partien bestehen Überschneidungen mit Judentum und Frühchristentum (Stammväter Noah, Moses, Abraham, vgl. die Geschichte Josephs in Sure12, oder die Geburt des 'Propheten' Jesus in Sure 3). Mit diesen Überlieferungen war Mohammed auf ausgedehnten Karawanenreisen in Kontakt gekommen.

Die Glaubensinhalte des Koran sind zentriert um bzw. abgeleitet aus einem islamischen Monotheosimus, den Mohammed als strikte Erneuerung des judaischen bzw. frühchristlichen Glaubens ansah. Ausgesprochen wird dieser zentrale Glaubenssatz u.a. in Sure 112: "Sprich: Gott ist Einer, / Ein ewig reiner / Hat nicht gezeigt und ihn gezeugt hat keiner, / Und nicht ihm gleich ist einer."

Der Koran erhebt absoluten Geltungsanspruch nicht nur für die religiöse Orientierung, sondern auch für die weltliche Lebensführung aller Muslime. Er ist das Buch der "Rechtleitung" (huda) für alle Lebensbereiche (nicht nur für juristische Fragen im engeren Sinn). Aus diesem Grunde wird er durch außerkoranische Überlieferungen zu Leben und Lehre des Propheten (hadith 'Mitteilung') ebenso ergänzt wie durch ein religiöses Gewohnheitsrecht (sunna 'Herkommen'), das bis zum 10. Jahrhundert als eigenständiges Rechtssystem (scharia) kodifiziert wird. Zweifel oder Kritik am Wort Allahs sind undenkbar, und werden gegebenenfalls streng sanktioniert (so vor einigen Jahren im Falle des Romanciers Salman Rushdie).

Kehrseite der absoluten Geltung des Koran im Islam ist seine schwierige interkulturelle Rezeption. Im christlichen Europa bleibt er lange ein "missverstandenes Buch". Vor dem Hintergrund langdauernder Feindschaft zwischen christlichen und islamischen Religionen und Staaten (z.B. die "Türkenkriege" bis ins 17. Jh.) muss besonders die Vorschrift des heiligen Krieges gegen die Ungläubigen (jihad) Anstoß erregen. Aber auch die Eigenart des Textes macht es nichtislamischen Lesern schwer, sich in den religiösen Gehalt und die unbestreitbare sprachliche Schönheit des Koran hineinzufinden. Charakteristisch ist Goethes ambivalente persönliche Bewertung: "Und so wiederholt sich der Koran Sure für Sure. Glauben und Unglauben teilen sich in Oberes und Unteres; Himmel und Hölle sind den Bekennern und Leugnern zugedacht. Nähere Bestimmung des Gebotenen und Verbotenen, fabelhafte Geschichten jüdischer und christlicher Religion, Amplifikationen aller Art, grenzenlose Tautologien und Wiederholungen bilden den Körper dieses heiligen Buches, das uns, so oft wir auch daran gehen, immer von neuem anwidert, dann aber anzieht, in Erstaunen setzt und am Ende Verehrung abnötigt." (1819)

© JZ

Quelle

  • Der Koran, übers. v. M. Henning, Einleitung u. Anmerkungen v. A. Schimmel, Stuttgart 1991 u.ö.

Sekundärliteratur

  • H. Bobzin: Der Koran. Eine Einführung, München 1999.
  • M. Cook: Der Koran. Eine kurze Einführung, Stuttgart 2002.
  • H. Zirker: Der Koran. Zugänge und Lesarten, Darmstadt 1999.