* 27.3.1871, Lübeck
† 12.3.1950, Santa Monica, Kalifornien
deutscher Schriftsteller, Publizist, auch Übersetzer
Zeit seines Lebens stand Heinrich Mann im Schatten seines um vier Jahre jüngeren Bruders Thomas. Das sagt mehr über seine Leser als über sein schriftstellerisches Niveau aus, denn mit Professor Unrat (1905) und dem Untertan (1914/18) hat er unbestritten Meisterwerke des in Deutschland eher raren gesellschaftskritisch-satirischen Romans verfaßt, und sein Henri Quatre (1935/38) gilt zurecht als einer der bedeutendsten deutschen historischen Romane und als herausragendes Werk der Exilliteratur. Diese Romane zeugen aber auch vom dezidiert politischen Interesse des Autors, der - nach ästhetizistischen Anfängen um 1900 - längst vor dem Ersten Weltkrieg zum scharfen Kritiker der Wilhelminischen Zustände wurde. In zahlreichen Essays (Geist und Tat, 1910; Aufsatzsammlung 1931) begründete er seine Forderung nach der sozialen Verantwortung des Dichters wie der Literatur. In der kulturellen Tradition Frankreichs (beispielhaft in der Rolle Émile Zolas als Ankläger in der sog. Dreyfus-Affäre) sah er sein Ideal des in die Politik eingreifenden Literaten verwirklicht, und dies in Abgrenzung zur "machtgeschützten Innerlichkeit", wie sie Thomas Mann 1918 in seinen Betrachtungen eines Unpolitischen in scharfer, stellvertretender Polemik gegen seinen Bruder entwickelt hat, den er einen "Zivilisationsliteraten" schalt.
Seine unbeugsam republikanische, linksdemokratische und antifaschistische Überzeugung ließ Heinrich Mann zum kompromißlosen Verteidiger der Weimarer Republik und zum vehementen Verfechter einer Volksfront gegen Hitler werden. Bereits im Februar 1933 aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen, in der er 1931 den Vorsitz der Sektion Dichtkunst übernommen hatte, emigrierte er 1933 nach Frankreich, 1940 floh er in die USA. Dort verstarb er kurz vor seiner geplanten Übersiedlung nach Ost-Berlin, wohin ihn die DDR-Regierung eingeladen hatte, um die Präsidentschaft der neugegründeten Akademie der Künste zu übernehmen.
Der politische Grundimpuls in Heinrich Manns vielfältigem Oeuvre - Romane, Erzählungen, Dramen, Essayistik und politische Publizistik, Autobiographik - hat nicht nur seine zeitgenössische Leserschaft sichtlich gespalten. Grund war das enge Verhältnis, das Heinrich Mann zwischen Literatur und Politik, zwischen Ästhetik und Engagement postulierte. Als ausgebürgerter Exilant und Linker hatte er es in der frühen Bundesrepublik schwer, überhaupt verlegt zu werden; in der DDR wurden seinnnen-Trile Werke zwar gedruckt, wegen seines kosmopolitischen Demokratieverständnisses von offizieller Seite aber doch beargwöhnt und insgesamt nur partiell rezipiert. Heute ist unstrittig, dass die genannten Romane, aber auch die frühen ästhetizistischen Novellen, die Göttiogie (1903), der Roman Die kleine Stadt (1909) sowie die Autobiographie Ein Zeitalter wird besichtigt (1945) aus eigenem Recht zum Kanon der deutschen Prosaliteratur des 20. Jahrhunderts zu zählen und eben nicht gegen seinen Bruder auszuspielen sind. Zudem ist sein essayistisch-publizistisches Werk wie auch der Briefwechsel über das Literarische hinaus eine Fundgrube für politische und kulturpolitische Entwicklungen vom Kaiserreich über die Republik bis zum Exil, nicht zuletzt auch im Blick auf den deutsch-französischen Austausch.
©WF
Sekundärliteratur
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