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Reim

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Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter einem Reim den Endreim, der durch den Gleichklang der Versenden zweier oder mehrerer Verse vom letzten betonten Vokal an zustandekommt. Steht am Versende eine betonte Silbe, spricht man von einem einsilbigen Reim (Buch/Tuch), endet der Vers mit einer einfachen Senkung, heißt der Reim zweisilbig (leben/geben). Dreisilbige Reime sind relativ selten (Widerhall/Niederfall). Die entscheidende Bedeutung spielt beim Reim der Klang, nicht das Schriftbild des Wortes: "bellt" reimt sich, trotz der völlig anderen Schreibweise, korrekt auf "hält"; es handelt sich um einen sogenannten reinen Reim. Unreine Reime entstehen, wenn sich die Versenden klanglich unterscheiden, weil etwa ein Vokal und ein Umlaut (Riegel/Bügel) oder ein kurzer und ein langer Vokal (Kuss/Mus) miteinander kombiniert werden.

Die häufigsten Reimstellungen sind der Paarreim bei dem sich jeweils die beiden aufeinanderfolgenden Verse reimen (man kennzeichnet die Reimpaare mit kleinen Buchstaben, in diesem Fall also: aabb), der Kreuzreim, bei dem der Reim erst in der übernächsten Zeile folgt (abab) und der umarmende oder Schweifreim, der von der ersten Zeile einen den zweiten und dritten Vers umarmenden Bogen zum vierten Vers schlägt (abba).

Der Endreim ist zwar die bekannteste, nicht aber die einzige Reimform. Neben dem seltenen Anfangsreim gibt es auch Binnenreime, bei denen sich Worte innerhalb eines Verses, mit Worten desselben oder eines folgenden Verses reimen. Ein gutes Beispiel für einen Binnenreim ist die zweite Strophe von Oskar Kokoschkas Gedicht die träumenden knaben (S. 578):

rot fischlein / fischlein rot /
mein messerlein ist rot /
meine fingerlein sind rot /
in der schale sinkt ein
fischlein tot /

Die sich reimenden Worte "fischlein", "messerlein" und "fingerlein" stehen jeweils in der Mitte des Verses. Eine abgeschwächte Form des Reims, ist die Assonanz, bei der Worte durch Vokalgleichheit aufeinander bezogen werden (Bogen/Wolken), und durch die häufige Wiederkehr eines Vokals eine gleichmäßige Grundstimmung erzeugt wird. In Bertolt Brechts Gedicht Die Liebenden lassen sich Endreime, Binnenreime und Assonanzen aufspüren (S. 1129 f.):

Sieh jene Kraniche in großem Bogen! (a)
Die Wolken, welche ihnen beigegeben (b)
Zogen mit ihnen schon als sie entflogen (a)
Aus einem Leben in ein anderes Leben.   (b)

Ähnlich wie die Assonanz durch Vokalgleichheit, erzeugt die Alliteration durch Parallelität der anlautenden Konsonanten reimähnliche Strukturen. Einfacher gesagt: bei der Alliteration beginnen mehrere, nicht unbedingt direkt aufeinanderfolgende Worte eines Verses mit demselben Buchstaben. Dieses rhetorische Mittel ist auch in der Alltagssprache präsent, so etwa in der Wendung "Kinder, Küche, Kirche" oder in Kindersprachspielen wie dem Zungenbrecher "Zehn Ziegen zogen zehn Zentner Zucker zum Zoo". Eine unkonventionelle Einführung nicht nur in alle Probleme des Reims, sondern in die Lyrik überhaupt bietet das von Hans Magnus Enzensberger unter dem Pseudonym Andreas Thalmayr veröffentlichte Buch Das Wasserzeichen der Poesie.

©TvH

Quellen

  • Oskar Kokoschka: Die träumenden knaben, in: Die deutsche Literatur Bd. VII, hg. v. Walther Killy, München 1988.
  • Bertolt Brecht: Die Liebenden, in: ders.: Die Gedichte, Frankfurt/M. 1986.

Sekundärliteratur

  • B. Nagel: Das Reimproblem in der deutschen Dichtung. Vom Otfridvers zum freien Vers, Berlin 1985.
  • C. Schuppenhauer: Der Kampf um den Reim in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts, Bonn 1970.
  • A. Thalmayr: Das Wasserzeichen der Poesie oder die Kunst und das Vergnügen, Gedichte zu lesen, Frankfurt/M.1989.