Bürgerliches Trauerspiel

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Das bürgerliche Trauerspiel trägt seine Programmatik und seine neue Qualität schon im Namen. Es ist ein bürgerliches Trauerspiel, die Protagonisten sind Bürger, es geht um bürgerliche Probleme und sie werden in der Form eines Trauerspiels – also tragisch – dargestellt, und das ist neu. Zumindest im 18. Jahrhundert, als Lessing diese Form der Tragödie in Deutschland etabliert. Noch sein Vorgänger Gottsched hatte 1730 im Anschluß an die Poetik des Aristoteles in seinem Versuch einer critischen Dichtkunst vor die Deutschen die Tragödie mit ihren tragischen Konflikten für den Adel reserviert und damit die sogenannte Ständeklausel hochgehalten. Nur der Adel durfte tragisch dargestellt werden, für die Bürger blieb nur die Komödie, in der sie mit ihren Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten verlacht wurden. Das aufstrebende Bürgertum im 18. Jahrhundert wollte sich mit dieser Rolle nicht mehr länger zufrieden geben. Als Reaktion darauf entstand das bürgerliche Trauerspiel.

In einer ersten Entwicklungsphase diente es in Deutschland vornehmlich der moralischen Selbstvergewisserung des Bürgertums und der Darstellung von Willkürakten des Adels, z.B. in Emilia Galotti (1772) von Lessing oder in Kabale und Liebe (1783) von Schiller. Eine zweite Entwicklungsphase setzte dann mit Hebbels Maria Magdalena (1844) ein, hier wurde nicht mehr der Konflikt des Bürgertums mit dem Adel thematisiert, sondern eine kleinbürgerlich-pedantische Moral präsentiert, die sich gegen die Mitglieder der eigenen Gruppe wandte. Als dritte und abschließende Entwicklungsphase werden oft die naturalistischen Dramen von Hauptmann oder Ibsen genannt, in denen die Lebenslügen des selbstzufriedenen Bürgers offenbart und Forderungen der Arbeiterklasse gegenüber dem Bürgertum formuliert werden.

©rein

Sekundärliteratur