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griech. hex: sechs; metron: Maß

Der Hexameter ist der Grundvers des antiken Epos. Homers Ilias und Odyssee, die frühesten Zeugnisse der griechischen Dichtung, stehen ebenso in Hexametern, wie die einige Jahrhunderte später entstandene Aeneis von Vergil. Klopstock entdeckte den Hexameter für das deutsche Epos: in seinem Messias wird er zum Versmaß religiös-hymnischer Gesänge und verdrängt den bis dahin vorherrschenden Alexandriner. Goethe hingegen popularisiert in seinem Reinecke Fuchs das antike Versmaß. Eine andere Verwendung des Hexameters ist die Kombination mit dem Pentameter zum Distichon.

Der Hexameter ist ein auftaktloser Sechsheber, der in der strengsten Variante ausschließlich aus Daktylen besteht, die jedoch teilweise durch einen Spondeus ersetzt werden, um Eintönigkeit zu vermeiden. Der Vers endet mit einem katalektischen, d.h. mit einer einfachen Senkung nur unvollständigen Daktylus. Durch die Vielzahl der Doppelsenkungen übertrifft der Hexameter selbst den Alexandriner an Länge. Im Jahr 1781 übersetzte Johann Heinrich Voß die Odyssee in einer bis dahin für unmöglich gehaltenen metrischen Formtreue (S. 487, V. 1 f.):

Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes,
Welcher so weit geirrt, nach der heiligen Troja Zerstörung.

- u u - u u - È È - (- ) - u u - u
- u u - u u - (- ) - u u - u u - u

Metrisch unterscheiden sich diese beiden Verse nur im dritten und vierten Versfuß: im ersten Vers wird die rein daktylische Struktur nach dem dritten Versfuß durch einen Spondeus unterbrochen, d.h. statt einer betonten und zwei unbetonten Silben stehen zwei betonte Silben. Im zweiten Vers steht der Spondeus schon an dritter Stelle. Da es im Deutschen keinen reinen Spondeus gibt, weil von zwei aufeinanderfolgenden Silben immer eine, meistens die erste, Silbe stärker betont ist, läßt sich das antike Versmaß an diesen Stellen nur bedingt nachahmen.

©TvH

Quelle

  • Homer: Ilias. Odyssee, in der Übertragung von Johann Heinrich Voß, Frankfurt/M. 1990.

Sekundärliteratur

  • H. Drexler: Hexameterstudien, 6 Bde., Madrid 1953-1956.
  • W.-H. Friedrich: Über den Hexameter, in: Herbert Anton u.a. (Hg.): Geist und Zeichen. Festschrift für Arthur Henkel, Heidelberg 1977, S. 98-120.