Metapher

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Die Metapher wird traditionell als wichtigste der rhetorischen Figuren betrachtet. Nach älterer Auffassung handelt es sich um einen abgekürzten Vergleich bzw. eine Ersetzung des 'eigentlichen' durch einen metaphorisch 'uneigentlichen' Ausdruck nach dem Kriterium der Entsprechung bzw. der Ähnlichkeit. So ist seit Homer die Metapher vom Löwen für einen kämpfenden Helden üblich; wobei der Kontext das mögliche Mißverständnis verhindert: Achilles ist (wie) ein Löwe in der Schlacht. Die Metapher, so definiert Aristoteles, "ist die Übertragung eines Wortes (das somit in uneigentlicher Bedeutung verwendet wird) [...] nach den Regeln der Analogie. [...] das Alter verhält sich zum Leben, wie der Abend zum Tag; der Dichter nennt also den Abend 'Alter des Tages', oder, wie Empedokles, das Alter 'Abend des Lebens' oder 'Sonnenuntergang des Lebens'." (Poetik, Kap. 21)

Aristoteles beobachtet freilich auch schon, daß metaphorische Wendungen semantische Leerstellen im 'eigentlichen' Wortschatz füllen können: so wenn man die "Tätigkeit der Sonne" als das "Säen" des Lichts bezeichnet. (ebd.) Tatsächlich werden ja bis heute naturwissenschaftliche und technologische Sachverhalte mit derartigen Metaphern bezeichnet: von den elektrischen Wellen über den Atomkern bis zum schnellen Brüter.

Werden solche Ersetzungen über das Einzelwort hinausgeführt, dann entstehen Allegorien oder ganze Bildfelder. Von der (Einzelwort-) Metapher im engeren Sinn läßt sich also eine Strategie der Sprachverwendung, das metaphorische Sprechen unterscheiden, das unterschiedliche rhetorische Figuren (Metapher, Metonymie, Synekdoche u.a.) kombiniert. Herkömmlicher- wenn auch fälschlicherweise gilt solche Bildlichkeit als besondere Qualität poetischer Texte oder - schon bei Aristoteles - als Ausweis dichterischer Inspiration: "Denn dieses allein kann man nicht bei andern lernen, sondern ist das Zeichen von Begabung." (ebd) Unzweifelhaft ist die zentrale Rolle der dichterischen Metaphorik in bestimmten Epochen (etwa im Barock) und in spezifischen Gattungen (etwa in der Lyrik); ein Blick auf die Metapherndichte von politisch-journalistischen Gebrauchstexten, oder auch in der Werbung, sollte jedoch davor warnen, Bildlichkeit als zwingendes Kriterium von Poetizität aufzufassen.

In der neueren Diskussion wird das Ersetzungsmodell zunehmend von einer sogenannten Interaktionstheorie abgelöst. So hat Peter Szondi im Anschluß an Chladenius und Schleiermacher darauf hingewiesen, daß literarische Metaphorik nicht als mechanische Ersetzung des 'eigentlichen' Ausdrucks verstanden (und damit tendenziell wieder aufgelöst) werden sollte, sondern als eigenständiger "Modus der Wirklichkeitserfahrung" und als eine "Modifikation der vorgegebenen Sprache" (Einführung in die literarische Hermeneutik, S. 89). Diese kommunikativen und sprachkreativen Leistungen der Metaphorik lassen sich in der modernen Literatur, insbesondere der Lyrik, am deutlichsten verfolgen, sei es in Form der hermetischen oder absoluten Metapher, die ihre Entschlüsselung verweigert (schon für Aristoteles grenzte die Metapher ans "Rätsel"); sei es in Form der Intertextualität, des Bildzitats und der metaphorischen Wechselrede zwischen Texten, Autoren und Epochen.

Die Verwendung bzw. Bevorzugung bestimmter Metaphern oder Bildfelder bei einzelnen Autoren, oder ihre Standardisierung im allgemeinen Gebrauch, die sogenannte Kollektivsymbolik (Jürgen Link), lassen schließlich Rückschlüsse auf individuelle oder kollektive bzw. epochenspezifische Sichtweisen, Erklärungsmuster und 'Weltbilder' zu. Die Metapher ist insofern nicht mehr und nicht weniger als ein sprachlicher 'Mikrokosmos'.

©JV

Quelle

Sekundärliteratur