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William Faulkner

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* 25.09. 1897 New Albany, Mississippi
† 06.07. 1962 Oxford, Mississippi

Amerikanischer Erzähler und Drehbuchautor

William Cuthbert Faulkner war der bedeutendste Romanautor des 20. Jahrhunderts in den USA. Aus einer prominenten Südstaatenfamilie stammend, lebte er bis zu seinem Tode in Oxford, Mississippi, und machte Geschichte und Gegenwart des heimatlichen Südens zum unverwechselbaren Stoff seines Erzählens. Der unaufhaltsame Niedergang einer traditionell-aristokratischen Lebensform bildet dabei den Hintergrund für zahlreiche Familien- und Einzelschicksale, in denen Sexualität, Gewalt und Wahn häufig eine zentrale Rolle spielen. Solche Tabu-Themen wirkten oft provokativ, ja skandalös und verzögerten die Anerkennung seines literarischen Ranges vor allem in den USA selbst. So wurde Faulkner aus finanziellen Motiven auch als Drehbuchautor tätig; unter anderen zeichnete er für Howard Hawks' Klassiker Haben und Nichthaben nach Ernest Hemingway oder Der Tiefe Schlaf nach Raymond Chandler verantwortlich.

Faulkners Romanwerk ist einerseits stark regionalistisch geprägt; sein eigenes Lebensumfeld hat er als fiktives Yoknapatawpha-County mit der Stadt Jefferson (d.i. Oxford, Miss.) zum Schauplatz mehrerer Romane gemacht. Zugleich aber nahm er Schreibweisen und formale Merkmale der zeitgenössischen europäischen Moderne (James Joyce, Virginia Woolf) wie die mehrfache Personenperspektive oder die Technik des Bewusstseinsstroms auf und adaptierte sie für seine Themen und Absichten. So prägte er eine eigenständig amerikanische Variante der Klassischen Moderne aus, die mit der Verleihung des Nobelpreises für Literatur im Jahr 1950 auch internationale Anerkennung fand (nur die Lokalpresse in Mississippi sah ihn unbeirrt als Verfasser von "Rinnsteinliteratur"!).

Aus Faulkners umfangreichem, qualitativ ungleichmäßigem Erzählwerk ragen nach allgemeiner Einschätzung Romane wie Schall und Wahn (1929) und Licht im August (1932) hervor. Schall und Wahn erzählt die Verfallsgeschichte der Familie Compson aus Jefferson, zu deren Stammvätern ein Gouverneur und ein General gehörten, im Zeitraum von 1898 bis 1928. Die Familienchronik wird aber kunstvoll fragmentiert und aus den Perspektiven von vier Geschwistern neu zusammengesetzt, wodurch deren problematische Beziehungen zueinander und die Gründe für ihr jeweiliges Scheitern deutlich werden. Insgesamt versucht Faulkner, durch seine experimentelle Erzählform die Vielschichtigkeit menschlicher Erfahrung und die Widersprüche zwischenmenschlicher Beziehungen anschaulich zu machen.

In ähnlicher Weise werden auch in Licht im August verschiedene Handlungsstränge und individuelle Schicksale miteinander verknüpft. Und auch hier gelingt es fast keiner Figur, den Zwängen der Konvention, einer schuldhaften Vergangenheit, religiösem oder rassischem Fanatismus und offener Gewalt zu entkommen und eine eigene Lebensperspektive zu gewinnen. Besonders die Vergangenheit, die individuelle und familiäre, aber auch die historische Vergangenheit der Südstaaten, d.h. die Niederlage im Bürgerkrieg und die nachträgliche Verherrlichung des Südens, ist im Bewusstsein der Figuren präsent und lähmt sie im Sinne von Faulkners oft zitiertem Satz: "Die Vergangenheit ist nicht tot, sie ist nicht einmal vergangen."

Ungeachtet seiner spezifisch "südstaatlichen" Stofflichkeit wirkte Faulkner stark auf die europäische Literatur zurück, so etwa auf den französischen Existentialismus (Jean Paul Sartre). In Deutschland nannte Gottfried Benn die deutsche Übersetzung von Licht im August (1935) seinen "letzten stärksten Eindruck vor dem Kriege"; nach 1949 wurde sie mehrfach neu aufgelegt. Faulkners typische Verknüpfung von existentiellen Themen und modernistischen Techniken begründete seinen starken Einfluss auf die Neuorientierung der deutschen Nachkriegsliteratur in West (z.B. Alfred Andersch) und Ost (z.B. Uwe Johnson).

©JZ

Wichtige Schriften

  • William Faulkner: Werke in Einzelausgaben, Zürich 1972 ff.

Sekundärliteratur

  • M. Christadler: Natur und Geschichte im Werk von William Faulkner, Heidelberg 1962.
  • P. Nicolaisen: William Faulkner, Reinbek 1981.
  • S. B. Oates: William Faulkner. Sein Leben. Sein Werk, Zürich 1997.