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* 20.03.1770, Lauffen am Neckar
† 07.06.1843, Tübingen

Lyriker, Romanautor, Dramatiker und Übersetzer

Friedrich Hölderlins lyrisches Werk ist ein Höhepunkt deutscher Dichtkunst. Dennoch erschienen zu Lebzeiten seine Hymnen, Oden und Elegien, abgesehen von einem schmalen, 1826 von Gustav Schwab und Ludwig Uhland zusammengestellten Gedichtband, nur vereinzelt in Zeitschriften und Almanachen. Erst nach seinem Tode wurde versucht, aus den handschriftlichen Manuskripten gültige Fassungen zu transkribieren und in Buchform zu publizieren.

Die frühesten Gedichte Hölderlins, entstanden während der Schulzeit im pietistischen Maulbronner Kloster (1786-1788), sind geprägt vom religiös-emphatischen Ton der Hymnen Klopstocks. In seinen Studienjahren am Tübinger Stift (1788-1793, Kommilitonen des Theologiestudenten Hölderlin waren u.a. Hegel und Schelling) verfaßt er politisch-religiöse Hymnen, in denen er die Französische Revolution als eine Offenbarung des Göttlichen feiert. Formal orientiert Hölderlin seine in achtzeiligen Reimstrophen verfaßten "Hymnen an die Ideale der Menschheit" (Dilthey) an Schillers idealistischer Lyrik (Die Götter Griechenlands, 1788). In der Tübinger Zeit setzt Hölderlins intensive Beschäftigung mit der griechischen Antike ein. Griechenland wird im folgenden zum zentralen Topos seines gesamten Werkes, zur geschichtsphilosophischen Utopie, denn nicht das reale Griechenland, das Hölderlin nie besucht hat, ist gemeint. Griechenland steht vielmehr für die Sehnsucht nach einem von Harmonie, Freiheit und Schönheit bestimmten ganzheitlichen Leben ohne die moderne Vereinzelung des Individuums. In seinen ab 1797 entstandenen Oden und Elegien orientiert sich Hölderlin auch formal an der Antike: Seine Oden dichtet er nach den strengen asklepiadeischen und alkäischen Odenmaßen, in seinen Elegien benützt er das Distichon, das klassische elegische Versmaß. Inhaltlich evoziert er ein Spannungsverhältnis zwischen einem harmonischen griechischen Weltzustand und der von Göttern verlassenen Gegenwart. In der Elegie Brot und Wein (entstanden um 1800) heißt es: "Aber Freund! Wir kommen zu spät. Zwar leben die Götter, / Aber über dem Haupt droben in anderer Welt." (VII, 1-2) In den Jahren um die Jahrhundertwende kreist nicht nur sein lyrisches, sondern auch sein dramatisches (das 1797-1800 entstandene Fragment Der Tod des Empedokles) und episches Werk (der Briefroman Hyperion oder der Eremit in Griechenland, 1797-1799) in zunehmend verschlüsselterer Sprache um die Polarität von Griechenland und Gegenwart. Dabei mischen sich in seine Texte immer stärker Enttäuschung über die eigene Dichtung und Zweifel an seiner Rolle als 'Verkünder': "Und sag ich gleich, / Ich sei genaht, die Himmlischen zu schauen / Sie selbst, sie werfen mich tief unter die Lebenden / Den falschen Priester, ins Dunkel, daß ich / Das warnende Lied den Gelehrigen singe. Dort" (Ende des Gedichtes Wie wenn am Feiertage.). Ab 1802 entstehen Übersetzungen der Tragödien von Sophokles (Antigone und Ödipus), die Hölderlin als Dramen des Übergangs von der antiken zur modernen Welt interpretiert. In den Vaterländischen Gesängen seines sogenannten Spätwerks (bis 1806) verortet Hölderlin die ersehnte Erneuerung der Welt nicht länger in Griechenland, sondern in konkreten historischen und antiken Gestalten, vor allem aber in Christus als Botengestalt des Abendlandes. 1806 wurde Hölderlin als Geisteskranker in die Klinik Tübingens eingewiesen und im Jahr darauf als unheilbar entlassen; bis zu seinem Tode im Jahr 1843 lebte Hölderlin in einem umgebauten Stadtturm, gepflegt vom Tischler Zimmer. Die während dieser Zeit entstandenen Gedichte wurden lange als Werke eines geistig Umnachteten abgetan. Auffällig an ihnen ist Hölderlins Abkehr von den komplizierten Formen hin zu einer formelhaften Einfachheit (z.B. An Zimmern, 1812).

Hölderlins Werk wurde von der zweiten Generation der Romantiker (Brentano, Schwab, Uhland) hoch geschätzt, geriet im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts aber mehr und mehr in Vergessenheit. Erst um die Jahrhundertwende besann man sich im Umkreis Stefan Georges - freilich in mystifizierender Weise - auf den großen Seher für sein volk (George). In der neueren deutschen Lyrik finden sich viele Beispiele einer produktiven Auseinandersetzung, so die mittlerweile zu modernen Klassikern gewordenen Gedichte Latrine (1948) von Günter Eich, Variation auf Gesang des Deutschen von Friedrich Hölderlin (1962) von Peter Rühmkorf, Hölderlin in Tübingen von Johannes Bobrowski und Tübingen, Jänner von Paul Celan.

©TvH

Quelle

  • Friedrich Hölderlin: Gedichte, hg. v. Jochen Schmidt, Frankfurt/M. 1984.

Wichtige Schriften

  • Hymnen, Oden und Elegien (1788-1806)
  • Der Tod des Empedokles (entstanden 1797-1800)
  • Hyperion oder der Eremit in Griechenland (1797-1799)

Sekundärliteratur

  • J. Schmidt: Hölderlins letzte Hymnen, Tübingen 1970.
  • P. Szondi: Hölderlin-Studien, Frankfurt/M. 1970.
  • S. Wackwitz: Friedrich Hölderlin, Stuttgart 1985.