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Ernst Jandl

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* 01.08. 1925, Wien
† 09.06. 2000, Wien

österreichischer Lyriker, Hörspielautor und Dramatiker

Erst im Jahr 1957 gelang es Ernst Jandl nach eigener Einschätzung, die Gedichte zu schreiben, die ihm vorschwebten, seitdem er 1952 intensiv mit der dichterischen Arbeit begonnen hatte: Verse, die mit dem Wohlklang in der Lyrik brachen und den tödlichen Krach seiner und unserer Zeit in Wort und Lauf aufnahmen. Damals stieß er auf eine Sorte von Gedichten, die erst durch lautes Sprechen wirksam werden (Jandl), und für die er zu Recht berühmt werden sollte: die Sprechgedichte.

In nur wenigen Monaten entstand eine große Anzahl von Gedichten, von denen manche wie wien : heldenplatz oder lichtung inzwischen zum festen Bestand der deutschsprachigen Poesie des 20. Jahrhunderts gehören und auf neue Art die Experimente der frühen literarischen Avantgarden (Expressionismus, Dada) fortsetzten. Viele dieser Gedichte erschienen in dem Band Laut und Luise (1969), wenig später folgte der künstliche baum (1970) und machte den Autor einem breiten Publikum bekannt. Für sein erstes Hörspiel Fünf Mann Menschen, das er mit seiner langjährigen Lebengefährtin, der Autorin Friederike Mayröcker, schrieb, wurde er 1968 mit dem renommierten Hörspielpreis der Kriegsblinden ausgezeichnet.

Jandl aber wollte von Anfang an nicht ausschließlich als experimenteller Schriftsteller gelten. Er schrieb auch traditionelle Gedichte; soziale Erfahrungen in ihrer erkennbaren Form zählten für ihn stets zu jenem Material, das Dichtung ermöglichte. An dem französischen Poeten Jacques Prévert hatte sich Jandl früh ein Vorbild genommen, auch an dem amerikanischen Lyriker Carl Sandburg, der den sozialen Bezug seiner Gedichte stark betonte. Diese Art zu schreiben hatte Jandl nie aufgegeben und daran knüpfte er seit Mitte der siebziger Jahre verstärkt an, ohne seine Erfahrungen als Autor von formal kompromisslosen Gedichten aufzugeben.

1976 war er als Gymnasiallehrer für Englisch und Deutsch aus der Schule ausgeschieden, und mit diesem Datum begann sein zweites Leben als Schriftsteller. Die eigene Biographie als Material für seine Dichtung wurde ihm zunehmend wichtig. Obwohl sich Jandl vorgenommen hatte, das Personalpronomen "ich" möglichst fern von seinen Gedichten zu halten, schrieb er seit dieser Zeit fast ausschließlich Gedichte, in denen er selber unverstellt vorkommt: Gedichte in "heruntergekommener sprach"; sie erinnern an den gebrochenen Duktus von Ausländern. Auch eine Sprechoper im Konjunktiv entsteht: Aus der Fremde (1976). Der Dichter wird in den unzumutbaren Dimensionen seines Lebens sich selber zum Ärgernis. Jandls Sicht der Welt verfinstert sich dramatisch, und einem seiner Gedichtbände gibt er deswegen den Titel der gelbe hund (1980), weil er nicht mehr in jedem Fall erkennen kann, dass sich die Sicht des Menschen über die der Tiere zu erheben vermag. Entsprechend geht er in dem Band idyllen (1989) auf grotesk überzeichnete Distanz zu dem, was üblicherweise mit dem Wort Idylle gemeint ist.

So sehr Jandl seine Dichtung auch fortentwickelt hat, in einem blieb er sich treu: Die Stimme gehört zu den wesentlichen Elementen seiner Poesie – und Jandls Stimme hatte längst ein eigenes Leben zu führen begonnen. Seine Gedichte werden von Generation zu Generation, inzwischen multimedial, weitergegeben. In den Schulen ist er längst ein Klassiker (man weiß nicht, ob es ihn freuen würde). Aber auch die freie Literaturszene weiß ihn zu schätzen: "Cyper Punk" habe Jandl geschrieben, behaupten heute seine Enkel.

© KS

Wichtige Schriften

  • poetische werke in 10 bänden, hg. v. K. Siblewski, München 1997.
  • Autor in Gesellschaft. Poetische Werke Bd.11, München 1999.

Sekundärliteratur

  • K. Siblewski (Hg.): Ernst Jandl - Texte, Daten, Bilder, Hamburg 1990.
  • Text + Kritik, Heft 129: Ernst Jandl, München 1996.
  • M. Vogt (Hg.): stehn JANDL groß hinten drauf. Interpretationen zu Texten Ernst Jandls, Bielefeld 2000.